Die frohe Botschaft der Hirnforscher: Wer das volle Potenzial seines Gehirns nutzen will, der muss seine Begeisterungsfähigkeit zurück gewinnen. Sich einladen, ermutigen und inspirieren
lassen, die Welt noch einmal so zu betrachten, wie damals, als man noch ein Kind war: mit all der Entdeckerfreude und Gestaltungslust, die als Anreiz und Dünger für das eigene Hirn gebraucht
werden.
(Text aus Gerald-Huether.de)
Leider können sich Erwachsene nur vereinzelt an ihre ersten Kindheitserlebnisse erinnern. Erinnern an dieses Glücksgefühl, mit dem sie sich als kleines Kind auf den Weg gemacht haben, die Welt zu
entdecken. Sie können sich kaum entsinnen an diese unglaubliche Offenheit, Gestaltungslust und Entdeckerfreude. Sie haben nur eine getrübte Vorstellung von dieser den ganzen Körper
durchströmenden Begeisterung über sich selbst und über all das, was es damals zu entdecken und zu gestalten gab. Wären diesen Erinnerungen präsenter, wären viele Sorgen, Probleme und Nöte des
Erwachsenseins gar nicht existent.
Leider ist vielen Erwachsenen genau das, weitgehend verloren gegangen was einem Kind die pure Lebensfreude vermittelt: die Begeisterung. Zwanzig bis fünfzig mal am Tag erlebt ein Kleinkind einen
Zustand größter Begeisterung. Und jedes Mal kommt es dabei im Gehirn zur Aktivierung der emotionalen Zentren. Die dort liegenden Nervenzellen haben lange Fortsätze, die in alle anderen Bereiche
des Gehirns ziehen. An den Enden dieser Fortsätze wird ein Cocktail von neuroplastischen Boten-stoffen ausgeschüttet. Diese Botenstoffe bringen nachgeschaltete Nervenzellverbände dazu,
verstärkt bestimmte Eiweiße herzustellen. Diese werden für das Auswachsen neuer Fortsätze, für die Bildung neuer Kontakte und für die Festigung und Stabilisierung all jener Verknüpfungen
gebraucht, die im Hirn zur Lösung eines Problems oder zur Bewältigung einer neuen Herausforderung aktiviert worden sind.
Das ist der Grund, warum wir bei all dem, was wir mit Begeisterung machen, auch so schnell immer besser
werden. Jeder kleine Sturm der Begeisterung führt gewissermaßen dazu, dass im Hirn ein selbsterzeugtes Doping abläuft. So werden all jene Stoffe produziert, die für alle
Wachstums- und Umbauprozesse von neuronalen Netzwerken gebraucht werden. So einfach ist das: Das Gehirn entwickelt sich so, wie und wofür es mit Begeisterung benutzt wird.
Deshalb ist es entscheidend, sich als Heranwachsender oder Erwachsener diese Begeisterung zu bewahren. Leider erleben wir im Laufe unseres Lebens alle zu oft das Gegenteil. Wir stellen fest, dass
uns die anfängliche Begeisterung, mit der wir uns als kleine Entdecker und Gestalter unserer Lebenswelt auf den Weg gemacht haben, beim Älterwerden zunehmend abhanden kommt. Denn wie oft
überwältigt uns heute noch ein Sturm der Begeisterung? Einmal pro Tag, einmal pro Woche? Einmal im Monat?
Das Schlüsselwort zur Beantwortung dieser Frage heißt: Bedeutsamkeit. Damit wir uns für etwas begeistern, muss es bedeutsam für uns selbst sein! Das ist die Krux.
Für ein kleines Kind ist noch fast alles bedeutsam, was es erlebt, erfährt und unternimmt. Aber je besser es sich später in seiner Lebenswelt einzurichten und zurechtzufinden gelernt hat, desto
unbedeutender wird alles andere, was es in dieser Welt sonst noch zu entdecken und zu gestalten gibt. Wir sind gefangen in Routine. Indem wir älter werden, Erfahrungen sammeln und unsere
Lebenswelt nach unseren Vorstellungen gestalten, laufen wir zunehmend Gefahr, im Hirn einzurosten. Wir kennen „unsere Pappenheimer“ und wissen „wie der Hase läuft“. Wir erledigen unseren Job. Wir
machen, was getan werden muss. Wir funktionieren.
Der Preis dafür ist hoch: für uns verliert das Leben seinen eigentlichen Reiz. Alles ist gleichermaßen bedeutsam oder unbedeutsam. Wir haben zwar unser Leben optimal in den Griff bekommen; unsere
kindliche Begeisterungsfähigkeit mit seinen ganzen Reizen für unseren Geist haben wir aber bis zur Leblosigkeit abgewürgt. Es ist dringend an der Zeit, dass wir als Gesellschaft dieser negativen
Entwicklung entgegensteuern. Denn wie es einem einzelnen Menschen mit der fehlenden Begeisterung ergeht, ergeht es auch unserer menschlichen Gemeinschaft. Wir erleben das Tag für Tag in der
Familie, der Schule, dem Beruf. Unsere ganze Gesellschaft hat gewissermaßen kollektiv die Begeisterungsfähigkeit verloren. Es fehlt ihr sichtbar an Kreativität, Lebensfreude, Entdeckerlust und
Gestaltungskraft. Daher dümpelt sie in eingefahrenen Routinen mit festgefügten Verwaltungsstrukturen dahin. Sie hat alles – scheinbar – im Griff und lässt sich sogar von Krisen kaum noch
erschüttern. Sie funktioniert noch, aber sie lebt nicht mehr.
Dazu kommt: den allermeisten Menschen (unseren Verwandten, Freuden, Arbeitskollegen) wird es immer wichtiger, gut zu funktionieren. So funktionalisiert diese begeisterungslos gewordene
Gesellschaft erst ihre Erwachsenen und am Ende sogar noch ihre Kinder. Die werden mit Wissen abgefüllt und es werden ihnen bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten beigebracht, anstatt in ihnen die
Fackel der Begeisterung am eigenen Entdecken und Gestalten zum Lodern zu bringen.
Die moderne Hirnforschung kennt den Weg hinaus aus diesem Dilemma. Sie hat wissenschaftlich ergründet: Alles, was Menschen hilft, was sie einlädt, ermutigt und inspiriert, eine neue, andere
Erfahrung zu machen als bisher, ist gut für das Hirn und damit gut für die Gemeinschaft. Menschen, denen es gelingt, ihr Gehirn noch einmal auf eine andere als die bisher gewohnte Weise zu
benutzen, bekommen ein anderes Gehirn. Menschen, die sich noch einmal mit Begeisterung für etwas öffnen, was ihnen bisher verschlossen war, praktizieren dieses wunderbare Selbstdoping für das
eigene Gehirn. Die Wissenschaft nennt diesen Prozess Potenzialentfaltung. Es ist das genaue Gegenteil von dem, was die meisten Menschen gegenwärtig betreiben: bloße
Ressourcennutzung.
So lautet die frohe Botschaft der Hirnforscher: Wer sein Gehirn nicht zu einer Kümmerversion dessen machen will, was daraus hätte werden können, der muss seine kindliche Begeisterungsfähigkeit
zurück gewinnen. Er muss sich einladen, ermutigen und inspirieren lassen, die Welt noch einmal so zu betrachten, wie damals, als er noch ein Kind war: mit all der Entdeckerfreude und
Gestaltungslust, die als Anreiz und Dünger für das eigene Hirn gebraucht werden.
(Anmerkung Coaching Dino Beerli: Im folgenden Abschnitt wurde der Begriff "Eltern" durch "Führungskräfte" ersetzt, da Führungskräfte in Organisationen dieselbe systemische Aufgabe zufällt.)
Um bei Heranwachsenden die kindliche Begeisterung dauerhaft virulent zu halten und sie immer wieder neu zu entfachen, müssten die Eltern (Anmerkung Coaching Dino Beerli: resp.
"Führungskräfte") die Rolle des Motivators übernehmen. Sie könnten, ihre Kinder (resp. Mitarbeitende) resistent machen gegen Routine, Trägheit und Trübsal. Das kann
aber nur gelingen, wenn sich diese Eltern (resp. Führungskräfte) ihre Befähigung zur Potenzialentfaltung selbst erhalten haben; wenn sie selbst weiter in das Leben verliebt sind und sich
für all das begeistern, was dieses Leben tagtäglich in seiner ganzen Buntheit und Schönheit bietet – wie damals, als sie selbst noch kleine Kinder waren.
Familie und Schule (resp. Unternehmen) bilden vor diesem Hintergrund ein Beziehungsgeflecht, in dem alle Beteiligten gemeinsam ihre Begeisterung am Entdecken und Gestalten wiedererlangen
können. Zu entdecken, mit welchen Methoden und Angeboten Menschen für das Lernen und die kreative Nutzung von Wissen begeistert werden können, müssten Eltern und Lehrer (resp.
Führungskräfte) sich selbst begeistern. Nur wer in der Lage ist, sich an den Kindern zu begeistern, wird in der Lage sein, ihnen auch genug Begeisterungs-Doping für ihr Hirn mit auf den
weiteren Lebensweg zu geben.
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Janine Sommer (Mittwoch, 30 September 2015 21:10)
Es freut mich, dass auch die Wissenschaft zur Erkenntnis gelangt, worauf es im Job (und überhaupt) ankommt: Begeisterung! Ich bin ehrlich gesagt stolz auf mein Team, dass wir dieses Prinzip bei unserer Arbeit leben, und genau darum Innovation und top Ergebnisse erzielen.